News
Die im Koalitionsvertrag geforderten 18 Monate Höchstüberlassungsdauer für die Zeitarbeitsbranchethematisierte Alexander Eisnecker, Stabsreferent Arbeitsmarktinstrumente beim iGZ-Mitgliedsunternehmen DEKRA Arbeit GmbH, in einem Gastkommentar für die Industrie- und Handelskammer. Darin heißt es:
'Welche Änderungen im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz letztendlich umgesetzt werden sollen, ist bis jetzt noch weitgehend unklar. Fakt ist, dass in der jetzigen Legislaturperiode eine gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten festgelegt werden soll – so steht es im Koalitionsvertrag.
Hier ist die grundsätzliche Frage, wem dies nutzen soll: Aufgrund der Einführung von Branchenzuschlagstarifen – die für jede Branche zwischen den Tarifparteien ausgehandelt wurden – erhalten Zeitarbeitnehmer in der Praxis eine weitgehend gleiche Vergütung wie Stammbeschäftigte; die Rahmenbedingungen dieser Vergütung wurden dabei mit den Branchengewerkschaften ausgehandelt.
Sobald es sich jedoch für den Beschäftigten – dessen Entgelt gemäß der meisten Branchenzuschlagstarife mit der Einsatzdauer sukzessive ansteigt – „richtig lohnt” das heißt er auf dem Niveau der Stammbelegschaft als gut eingearbeitete Kraft verdient, darf er kraft Gesetzes seinen Einsatz im Entleihbetrieb nicht weiter fortsetzen und muss bei einem neuen Kundeneinsatz wieder von vorn und mit einer geringeren Vergütung beginnen.
Während die rechtlichen Veränderungen im Bereich Zeitarbeit in der jüngeren Vergangenheit meist bessere Verdienstmöglichkeiten für die Zeitarbeitnehmer schufen, bedeutet diese Begrenzung einen ganz klaren und schwerwiegenden monetären Nachteil für die Zeitarbeitnehmer. Auch der Staat verzichtet dabei auf den höheren Zufluss an Geldern für die Sozialkassen und den Fiskus.
Ebenso nützt diese Regelung auch den Entleihbetrieben nicht, da aufgrund immer höherer Spezialisierung der Tätigkeiten die Einarbeitungszeit immer länger wird. Schaden wird dies hauptsächlich nicht – oder geringqualifizierten Arbeitnehmern bzw. Beschäftigten in strukturschwachen Regionen, wo ohnehin wenige Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Zahlreiche weitere Veränderungen werden seitdem in von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenen Gutachten von Brors und Schüren kontrovers diskutiert. Dabei geht das Gutachten weit über die Inhalte des Koalitionsvertrages hinaus und schafft auf sehr akademischer Basis kaum überprüf- und deswegen auch schwer umsetzbare Rechtskonstrukte, zu denen mit Sicherheit gesagt werden kann, dass sie keinesfalls den Zeitarbeitnehmern oder den Stammbelegschaften nützlich und für alle Wirtschaftsunternehmen von großem Nachteil sind.
Über den Koalitionsvertrag hinaus gedacht werden sollte bei der Neugestaltung des Arbeitnehmerüberlassungsrechtes bezüglich zweier weiterer Punkte: Wenn Zeitarbeitnehmer gerechterweise wie die Stammbelegschaft eines Betriebes behandelt werden sollen, muss sich der Staat selbst endlich von einer Diskriminierung verabschieden: dem gesetzlichen Verbot der Gewährung von Kurzarbeitergeld an Zeitarbeitnehmer! Es würde allen dienen, wenn Zeitarbeitnehmer bei Einführung von Kurzarbeit im Betrieb verbleiben und wie ihre Kollegen im Stammbereich auch Kurzarbeitergeld beziehen könnten. Durch diese Kopplung des Kurzarbeitergeldes an den Einsatzbetrieb wäre der oft thematisierte, theoretischmögliche Missbrauch von Kurzarbeit während „entleihfreier Zeiten” im Zeitarbeitsunternehmen sicher ausgeschlossen.
Längst ist die Situation in den Betrieben so, dass kein „überschüssiges” Personal mehr beschäftigt wird, dass bei einer Kurzarbeitsphase „abgebaut” werden kann – um zu produzieren, müssen alle Arbeitsplätze in einer Produktionsanlage besetzt sein – auch die mit Zeitarbeitnehmern besetzten. Selbst die schärfsten Kritiker der Zeitarbeit, unter anderem die IG Metall, haben die Erweiterung der Kurzarbeitergeld-Regelung und das Ende der staatlichen Diskriminierung von Zeitarbeitnehmern auf diese Weise gefordert.
Zuletzt sollte im Zusammenhang mit einer Weiterentwicklung von Rechtsgrundlagen stets erwogen werden, ob alte Begrifflichkeiten noch übernommen werden können. In der gesamten Europäischen Union werden im Zusammenhang mit „Arbeitnehmerüberlassung” stets die fremdsprachlichen Entsprechungen von „Zeit”arbeit (Englisch: Temp Work, Französisch: Travail Temporaire, Spanisch: Trabaja Tempral, Italienisch: Lavaro Interinale, Irisch-Gälisch: Obair Pháirtaimseartha) verwendet, nur das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz] verwendet den Begriff „Leiharbeit”.
Dieser ist allerdings gerade im juristischen Sprachgebrauch unsinnig, denn § 598 des Bürgerlichen Gesetzbuches schreibt zwingend vor, dass eine „Leihe” stets kostenlos sein muss. Da Zeitarbeitsunternehmen ihren Mitarbeitern aber Löhne und ferner auch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen müssen, findet kostenlose Arbeitnehmerüberlassung – genau das wäre „Leih”arbeit – in Deutschland nur im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, nicht aber in der Realität statt. Deswegen ist es an der Zeit, diesen sprachlichen „Zopf” aus den 1970-er Jahren abzuschneiden, sich an Europäische Verhältnisse anzupassen und die Rechtssprache sinnvoll zu egalisieren.'
Quelle: www.ig-zeitarbeit.de