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Zeitarbeit als Indikator (Interview Suzana Barnhard)

Suzana Bernhard, Geschäftsführerin der DEKRA Arbeit Gruppe, beschreibt die aktuelle Stimmungslage am Standort Deutschland und benennt die wichtigsten Herausforderungen für Unternehmen als auch den nationalen Arbeitsmarkt in 2023.

Welches Zwischenfazit ziehen Sie als DEKRA Arbeit Gruppe bis dato für das laufende Jahr 2023?

Das Zwischenfazit 2023 fällt etwas wechselhaft und zweigeteilt aus. In den ersten drei Monaten war die Geschäftsentwicklung durchaus positiv und konnte zunächst an die erfreuliche Vorjahrestendenz weiter anknüpfen. Ab dem zweiten Quartal hingegen drehte sich das Bild und in nahezu allen Branchen war – trotz des üblicherweise zu diesem Zeitpunkt einsetzenden Frühjahrswachstums – ein spürbar abnehmender oder zumindest stagnierender Mitarbeiterbedarf erkennbar.

Wie bewerten Sie diese jüngste Entwicklung, und mit welchen Herausforderungen ist die Personaldienstleistungsbranche in diesem Jahr besonders konfrontiert?

Die Personaldienstleistung war schon immer ein vorgelagerter Indikator für die unmittelbar folgende gesamtwirtschaftliche Situation in Deutschland. Und dieses Spiegelbild zeigt sehr deutlich, wie verunsichert oder teilweise auch problembehaftet die allgemeine Geschäfts- und Stimmungslage auf Unternehmensseite ist.

Einerseits haben viele Branchen noch immer mit einer stark schwankenden Auftragslage oder gar Produktionsausfällen zu kämpfen, die sich in Nachpandemiezeiten durch die Ukraine-Krise – samt dazugehöriger Lieferkettenprobleme und einem drastischen Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise – in den vergangenen 12 Monaten weiter verschärft haben.

Andererseits wirken sich auch politische Maßnahmen und Vorgaben eher bremsend statt förderlich auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland aus. Egal ob es um Themen wie Klima- und Energiewandel, internationale Fachkräftezuwanderung oder digitale Zukunftsthemen geht, ist oftmals leider keine klare Strategie und zielgerichtete, zeitnahe Unterstützung durch die Bundesregierung erkennbar. Die Unternehmen werden leider mit vielen Sorgen und Zukunftsfragen alleine oder zumindest viel zu lange im Ungewissen gelassen, was im Bestfall zur unternehmerischen Zurückhaltung – im schlimmsten Fall allerdings irgendwann sogar zur Abwanderung ins Ausland oder einer drohenden Insolvenz führt.

Die unmittelbaren Auswirkungen auf uns als Personaldienstleister lassen sich daher ganz einfach zusammenfassen. Unsere Kunden müssen die Mitarbeiterplanung im Vergleich zu früheren Jahren deutlich zurückhaltender und kurzfristiger gestalten, was in Zeiten des ansteigenden Fachkräfte- und Bewerbermangels unsere Reaktionszeit für eine Stellenbesetzung auf oftmals nur wenige Tage reduziert. Wo früher also noch ein planbarer Personalbedarf mit ein paar Wochen Vorlaufzeit vorhanden war, gilt es momentan die Mitarbeiterdecke „quasi auf Sicht” von heute auf morgen neu anzupassen.

Hinzu kommt die steigende Inflation, die mit einer dramatischen Lohn-Preis-Spirale einher geht. Ein Effekt, der für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und natürlich auch für uns als Personaldienstleister gleichermaßen mit großen Herausforderungen verbunden ist.

Was sind Ihrer Ansicht nach die entscheidenden Faktoren für einen nachhaltigen Zukunftserfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland?

Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft ist in meinen Augen davon abhängig, wie gut es uns zukünftig gelingt, die ökologischen Herausforderungen mit guten ökonomischen Wachstumsbedingungen in Einklang zu bringen.

Dass wir mit Blick auf die Digitalisierung, den Fachkräftemangel und die Einhaltung unserer Klimaziele neue Wege gehen müssen und in vielen Bereichen auch ein Umdenken stattfinden muss, steht völlig außer Frage. Die notwendigen Veränderungen dürfen die tragenden Säulen unserer Wirtschaft aber keineswegs überfordern und müssen insbesondere dem Industriestandort Deutschland sowohl zeitlich als auch finanziell ausreichend Luft zum Atmen lassen.

Die Menschen und Unternehmen in Deutschland sind definitiv bereit für Veränderung und haben auch oft genug gezeigt, wie wandlungsfähig, gemeinschaftsorientiert und zupackend optimistisch sie sind. Allerdings nur dann, wenn man ihnen auch eine klare Perspektive bietet und den Veränderungsprozess transparent, fair und offen gestaltet, statt unendliche ideologische Debatten abzuhalten, die unsere Gesellschaft nur noch weiter auseinander treiben.

Wie lauten in diesem Zusammenhang die wichtigsten Herausforderungen für die Personaldienstleistungsbranche in 2023?

Ich kann natürlich nur für die DEKRA Arbeit Gruppe und nicht für die gesamte Branche sprechen. Aber die wichtigsten Herausforderungen für uns liegen in drei großen Themenfeldern.

Die größte Herausforderung wird es sicherlich sein, mit Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland noch flexiblere Arbeitskonzepte und immer neue Personallösungen zu entwickeln. Schon heute ist beispielsweise klar, dass der Mitarbeiterbedarf ohne zusätzliche Fachkräfte aus dem „internationalen Ausland” nicht mehr abgedeckt werden kann. Damit sind also bei weitem nicht nur EU-Mitarbeiter, sondern eine Vielzahl gut geschulter Arbeitnehmer aus aller Welt gemeint.

Als DEKRA Arbeit Gruppe stellen wir uns daher immer breiter und internationaler auf, um unseren Kunden auch in Zukunft die stets passenden Mitarbeiter bieten zu können. Wir haben unsererseits auch schon längst alle Vorbereitungen getroffen und stehen quasi in den Startlöchern, warten in der Personaldienstleistungsbranche jedoch noch auf die konkreten politischen Detailvorgaben zum jüngsten Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Das zweite große Thema ist und bleibt sicherlich die digitale Transformation. Wir zählen branchenweit glücklicherweise zu den Pionieren der Digitalisierung und haben in den vergangenen Jahren schon viele innovative Neuerungen flächendeckend eingeführt. Doch die digitale Revolution geht unaufhörlich weiter – und auch wir sind gefordert, uns immer moderneren Lösungen hin zu öffnen und die digitale Zukunft unermüdlich als echte Chance für eine bessere Arbeitswelt, ein noch besseres Miteinander mit unseren Kunden und Kollegen sowie eine umwelt- und kosteneffiziente Unternehmensentwicklung zu verstehen.

Und der dritte große Punkt ist nun wirklich eine sehr persönliche Herausforderung – oder nennen wir es besser eine persönliche Zielsetzung. Ich bin nämlich seit der Gründung der DEKRA Arbeit vor knapp 25 Jahren felsenfest davon überzeugt, dass der größte Garant für Erfolg in einem offenen, menschlichen und positiven Miteinander steckt. Alles was wir bis dato erreicht haben – und alles was wir in Zukunft noch an Herausforderungen auferlegt bekommen, konnten und werden wir nur gemeinsam mit unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern meistern. Denn der Zusammenhalt ist in meinen Augen der stärkste Zukunftsfaktor überhaupt! Und diese Einstellung werden wir aus tiefstem Herzen und voller Überzeugung exakt so beibehalten. Egal welche Hürden oder Entwicklungen noch auf uns zukommen.